28. Sitzung am 20.04.2023

Zur 28. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag sprachen Dr. Günther Beckstein, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident und bayerischer Innenminister, sowie zwei Beamte des BKA, die in der „BAO Trio“ mit den Ermittlungen zu André Eminger und Kartenauswertungen des NSU befasst waren.

Dr. Günther Beckstein bezeichnete die fehlende allumfängliche Aufklärung des NSU als „größte Niederlage des Rechtsstaats“ und gab zu Protokoll, dass es seiner Auffassung nach Mittäter oder Helfer im Raum Nürnberg auf jeden Fall gegeben haben müsse, da nur Ortskundige die Tatorte hätten kennen können. Beckstein betonte in diesem Zusammenhang auch, dass er bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Mordserie veranlasst habe, dem bekannten Rechtsextremisten Gerhard Ittner näher unter die Lupe zu nehmen, da er diesem einen Mord zugetraut habe. Trotz seiner Bekundungen von Anfang an rechtsradikale Strukturen hinter den Morden vermutet zu haben, räumte er lediglich ein, dass zu spät in die Richtung ermittelt worden sei. Fehlerhafte Ermittlungen soll es laut Beckstein hingegen nicht gegeben haben und diese hätten auch keine anderen Ergebnisse hervorgebracht. Er machte zudem deutlich über die Verbindungen von Thüringer und Bayerischer Neo-Nazis sowie über die rechtsradikale Gefahr gewusst zu haben. Die fehlenden Ermittlungen in diese Richtung begründete er jedoch mit fehlenden Beweisen. Diese fehlenden Beweise hinderten die Ermittler*innen aber bekanntermaßen nicht jahrelang in die Richtung der migrantischen Organisierte Kriminalität zu ermitteln.

Cemal Bozoğlu erklärt dazu: „Beckstein war einer der ersten politischen Verantwortlichen, die damals darauf hingewiesen haben, dass die Morde einen rechtsextremistischen Hintergrund haben könnten. Die ermittelnden Beamten hätten dies nach seiner Aussage aber verneint. Wir wissen genau, dass spätestens nach dem Mord an Ismail Yaşar sehr wohl eindeutige Spuren (wie Täterbeschreibungen und genaue Phantombilder) ins rechtsextreme Milieu führten. Allerdings wurde diesen Indizien nicht nachgegangen! Im krassen Gegensatz dazu wurde basierend auf absurdesten Vermutungen alles versucht, um die Täter im Umfeld der Opfer zu finden. Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, warum den Indizien in die rechtsextremistische Szene nicht nachgegangen wurde. Das zeigt uns das Vorhandensein eines strukturellen Problems.“

Im Hinblick auf das Taschenlampenattentat machte Beckstein deutlich, schon damals die Einschätzung der Oberstaatsanwaltschaft der fahrlässigen Körperverletzung nicht geteilt zu haben, sondern dies als versuchter Mord behandelt hätte werden müssen. Ebenso widersprach er den Aussagen der zuständigen Oberstaatsanwältin Klotzbücher vor dem Ausschuss, dass der Fall unabhängig vom Strafmaß gleichbehandelt worden wäre, da er aussagte, dass dieser in einer anderen Datenbank gespeichert worden wäre, weil Körperverletzung „Massenware“ sei und die Ermittlung sich unterscheiden müsse.

Nach Beckstein sagte der Zeuge S und der Zeuge G vom BKA aus. Zeuge S konzentrierte sich bei seiner Arbeit auf die die Ermittlungen gegen André Eminger und berichtete über eindeutige Indizien über eine unmittelbare Nähe zum NSU-Kerntrio, wie BahnCards auf seinen und den Namen seiner Frau Susann Eminger mit Lichtbildern von Böhnhardt und Zschäpe, Fingerabdrücke von Zschäpe auf Rechnungen und fast deckungsgleichen Festplatteninhalten.

Zeuge G vom BKA war mit der Auswertung der Kartenfunde des NSU-Trios beschäftigt und machte deutlich, wie das NSU-Trio in ihren Ausspähungen voranging. In einer „perfiden Art der Routine“ habe das NSU-Trio erst große Datensätze an Adressen gesammelt, diese dann in Listen gefasst, die Adressen ausgespäht und seien im Zuge der Ausspähungen in den Städten auf ihre Mordopfer gestoßen. Nürnberg und München hätten in allen Kartenfunden eine gesonderte Rolle gespielt. Er machte deutlich, dass die Indizien dafürsprächen, dass das NSU-Kerntrio die Ausspähungen selbst unternommen hätten. Der Zeuge konnte auf Nachfrage des Ausschussvorsitzenden Toni Schuberl jedoch nicht schlüssig erklären, wieso sich kein späterer Tatort in dem riesigen Datensatz an Andressen befunden habe, sondern gesichert lediglich einer, der in einer Ausspähnotiz handschriftlich vermerkt war.

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