In der 15. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses wurde Tino Brandt zu seinen Kenntnissen über den NSU-Komplex befragt. Von besonderem Interesse waren für die Mitglieder des Ausschusses, unter dem Vorsitz des Grünen Landtagsabgeordneten Toni Schuberl, die Verbindungen der Thüringer und Bayerischer Neonaziszene. Als eine Führungsperson des Thüringer Heimatschutzes, hat Brandt maßgeblich von Mitte der 1990er Jahre bis zu seiner Enttarnung als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes im Jahr 2001 dazu beigetragen die Thüringer Neonazi-Szene bundesweit zu vernetzen. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass das NSU-Kerntrio aus Jena stammt und Teil des sogenannten Kameradschaftsnetzwerks war.
Tino Brandt wiederholte seine Aussagen, die er im NSU-Prozess und vor dem Baden-Württembergischen Untersuchungsausschuss tätigte. Dabei gab er zu, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gekannt zu haben und sich mit ihnen sowie anderen Neonazi-Größen aus den jeweiligen Kameradschaften Thüringens, wie Ralf Wohlleben und André Kapke, zur politischen Beratung und der Planung von Aktionen für den Thüringer Heimatschutz getroffen zu haben. André Kapke war es auch, der am Tag des Verschwindens des Trios Brandt angerufen habe und noch versucht habe, bei Peter Dehoust mehrere tausend Euro für die drei aufzutreiben. Des Weiteren nahm er Spenden einer Coburger Kameradschaft an, um sie an das Kerntrio weiterzuleiten, nachdem dieses untergetaucht war. Die Spenden seien jedoch nach sechs Monaten verebbt, da das Interesse der Neonazi-Szene an den Untergetauchten gesunken sei.
Auf Nachfrage des Grünen Landtagsabgeordneten Cemal Bozoğlu, wie das mit Indizien einer jahrelang andauernden auch finanziellen Unterstützung zusammenpasst, wollte Tino Brandt jedoch nicht antworten. Er sagte aus, dass man Bayern als Veranstaltungs- und Rückzugsort genutzt habe, da in Thüringen die Polizei „nichts erlaubt“ habe, während man in Bayern nach dem Motto „Was nicht in der Presse steht, hat nicht stattgefunden“ agierte. Die Polizei in Coburg drückte zwar beide Augen zu, wenn es um Konzerte von Rechtsradikalen ging, ermittelte allerdings auch gegen Tino Brandt. So kam es zu mehreren Hausdurchsuchungen in seiner Coburger Wohnung, über die ihn das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz jedoch „netterweise Bescheid gesagt“ habe. Damit hat die Thüringer Verfassungsschutzbehörde polizeiliche Ermittlungen in Bayern sabotiert. Unter anderem befand sich die Hardware seines PCs nach eigenen Angaben „in einem Bahnhofschließfach“, nachdem er von den Thüringer Beamten vor der Hausdurchsuchung gewarnt wurde.
Diese Verbindungen nach Bayern wurden vor allem dann vertieft, wenn Rudolf Heß Gendenkveranstaltungen in Wunsiedel geplant waren und der Thüringer Heimatschutz als Sicherheitstrupp für diverse Veranstaltungen zur Hilfe gezogen wurde. Die Bekanntschaften gingen so weit, dass man sich mit damaligen bayerischen Neonazis, darunter Kai Dalek und Günther K. auch regelmäßig zu einem Mittwochstammtisch getroffen hat, wo seiner Aussage nach bestimmt 100 Menschen in Coburg zusammenkamen. Durch diesen Stammtisch hat sich später der Fränkische Heimatschutz gebildet. Dalek und K. haben auch regelmäßig an den monatlichen Führungskadertreffen der Thüringer Szene teilgenommen und dort auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe kennengelernt.
Kai Dalek, ebenfalls V-Mann, war „am Anfang als Führungskader“ betrachtet worden und habe Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bei diesen Treffen öfter getroffen, so Brandt. Dalek, der als Verbindungsmann zur Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front und damit von Christian Worch agierte, forderte nach Angaben von Brandt ein radikaleres Auftreten der Neonazis. Zwar habe man sich vernetzt und oft getroffen, aber Brandt konnte bei vielen Namen von bekannten Neonazis nicht sagen, dass er sie kannte. Damit bildeten sie ein Netzwerk, indem niemand einander kennt.
Brisant ist darüber hinaus, dass Brandt berichtete, dass der Thüringer Heimatschutz als Saal- und Veranstaltungsschutz für Veranstaltungen der Partei „Die Republikaner“ in Bayern fungierte. Dafür wurden Objekte über eine Woche hinweg beobachtet und Verhinderungsversuche von Veranstaltungen seitens linker Aktivist*innen entgegengewirkt. Durch die Übernahme der Kosten für Materialien, seien damit auch einige Nachtsichtgeräte bei den Thüringern gelandet, so Brandt. Damit hat Brandt deutlich gemacht, dass die Erfahrung von Ausspähungen von Objekten und das Erkennen von Personenkreisen, bei Tag und Nacht, ein üblicher Erfahrungsschatz der Mitglieder des Thüringer Heimatsschutzes ist.
Ebenso wie Carsten Schulze, sagte auch Tino Brandt aus, dass es keinen Hass auf migrantische Menschen, speziell türkischer Herkunft gegeben habe und es nie ein Thema war. Das sich die Aussagen von Schulze, Wohlleben und Brandt Wort für Wort decken ist natürlich kein Zufall. Ebenso wenig, dass es Erinnerungslücken auch bei Brandt bezüglich rassistischer Angriffe und Anschläge in Thüringen zu seiner Zeit als hochrangiger Neonazi gibt.
Mit der Aussage von Brandt wurde erneut deutlich, dass die Ermittlungsbehörden nicht nur versagt haben, sondern die Vernetzung von Neonazi-Strukturen mit der Anwerbung von unzähligen V-Leuten finanziert haben! Dass diese V-Leute auch nach der Enttarnung Verbindungen in die Neonazi-Szene pflegen, bewies Brandt heute mit seinem Begleitschutz, der ganz offen in einer Hose von „Thor Steinar“ im Publikum saß.
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