17. Sitzung am 08.12.2022

In der 17. Sitzung des NSU–Untersuchungsausschusses, wurde Dieter Jens Häfer befragt. Von besonderem Interesse für den Vorsitzenden des UA Toni Schuberl und Cemal Bozoğlu waren bei der Befragung vor allem zwei Aspekte: Erstens, dass Häfer nur wenige Monate nach dem „Taschenlampenanschlag“ in Nürnberg in ein Gebäude neben der Gasstätte Sonnenschein einzog, wo der Anschlag stattgefunden hatte und sich zudem auf der so genannten „Garagenliste“ des NSU befand. Zweitens, dass Häfer in den 1990er Jahren zeitweise Lead-Sänger der neonazistischen Skinhead Band „Legion Ost“ war und damit in der rechten Szene Thüringens lokale Prominenz besaß sowie Kontakte gehabt haben muss.

Kaum erstaunlich war, dass auch der Ausschuss die Umstände seines damaligen Wohnsitzes direkt neben dem Anschlagort in der Scheurlstraße in Nürnberg nicht ohne weiteres zu einer Mithilfe beim Bombenanschlag verbinden konnte. Häfer berief sich auf eine rein zufällige Begebenheit, machte aber während seiner Vernehmung widersprüchliche Aussagen. So arbeitete Häfer nach Angaben seines Arbeitgebers vom 03.11. bis 15.11.1999 bei einer Fürther Trockenbaufirma, aber sein Mietvertrag in der Scheurlstrasse lief erst vom 15.11. bis zum 15.12.1999: Wo hat Häfer jedoch vor seinem Einzug in die Scheurlstrasse gewohnt? Was hat Häfer noch bis zu seinem frühzeitigen Auszug am 09.12.1999 in Nürnberg gemacht, insbesondere da er im Rahmen seiner Vernehmung angab, in Nürnberg niemanden getroffen und nur gearbeitet zu haben? Unklar blieb auch, warum er sechs Monate nach seinem Auszug aus der Wohnung in der Scheurlstrasse dort noch gemeldet war.

Sein Wirken als Skinhead seit den 80ern bis Mitte der 90er Jahre sowie seine Rolle als ehemaliger Leadsänger der Neonazi-Band „Legion Ost“ spielte Häfer dreist herunter und entpolitisierte sie zugleich. Dabei war die Band keinesfalls eine unbedeutende Musikgruppe im Rechtsrockbereich. Sie veröffentlichte 1997 einen Tonträger beim Nürnberger Label ‚DI-Al-Records‘ und galt als eine Blood & Honour – Band. Das zeigte sich auch an der Veröffentlichung ihres zweiten Albums ‚Ohne Worte‘ beim dänischen B&H-Label NS-Records. Selbst wenn Häfer nach eigenen Angaben bereits vor diesen Veröffentlichungen nicht mehr in der Band gewesen sein sollte, hatte auch er vermutlich Kontakte in die Nürnberger Szene um das Label, die Band RADIKAHL und den TROUBLEMAKER VERSAND von Florian K. Den Thüringer Heimatschutz und bekannte rechte Persönlichkeiten will er trotz seiner lokalen Prominenz in der rechten Musikszene nicht gekannt haben. Das ist nur schwer vorstellbar, zumal auch Häfers Wohnort Gera damals eine sehr aktive Blood & Honour – Szene hatte und der Anführer der Jugendorganisation ‚White Youth‘, Mike B., aus ebendieser Stadt in Thüringen kam. Trotz intensiver Befragung blieb außerdem unklar, wie es zur eigenen handschriftlichen Eintragung von Häfer auf der so gennannten „Garagenliste“ von Uwe Mundlos kam, da der Zeuge hierzu keine schlüssige Erklärung liefern konnte. Stattdessen behauptete er weder Uwe Mundlos noch den Rest des NSU-Kerntrios zu kennen, was bei einer eigenen handschriftlichen Eintragung in eine persönliche Liste allerdings wenig glaubhaft erscheint.

Im Hinblick auf rechtsextreme Taten in seinem Freundeskreis gab der Zeuge an, sich an diesen nicht beteiligt zu haben und sich aus der rechtsextremen Szene bereits Mitte der 1990er Jahre gelöst zu haben. Dennoch ist er 1995 mit einem Bandmitglied der Neonazi- Band „Oithanasie“ in die berufliche Selbstständigkeit gegangen. Insgesamt lieferte der Zeuge dem Ausschuss mit seinem Aussageverhalten erneut ein Beispiel der weitverbreiteten Vergesslichkeit von Neonazis und der Verharmlosung ihrer menschenverachtenden Taten, obwohl er aussagte, sich von ebendieser Szene gelöst zu haben.

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