In der 22. Sitzung des zweiten NSU – Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags stand die Vernehmung eines Kriminalbeamten des Nürnberger Staatsschutzes, KK a.D. Pfister, auf dem Programm. Der Zeuge war etwa seit Anfang der 2000er Jahre bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2014 mit der rechten Szene im Raum Nürnberg und Umgebung befasst. Zeitweise war er für die Durchführung von Ermittlungen zu der BAO-Bosporus abgeordnet. Auf seine Tätigkeit für diese Einheit bezogen sich die meisten Fragen der Abgeordneten des Untersuchungsausschusses.
Bemerkenswert ist dabei der zeitliche Zusammenhang zwischen mehreren von dem Zeugen durchgeführten Gefährderansprachen in der rechten Szene Nürnberg und dem Ende der Morde der Česká-Serie. Nachdem im Jahre 2006 neun Personen in dem rechtsextremen Milieu Nürnbergs darauf hingewiesen wurden, dass nach dem/der Verantwortlichen für die Morde auch unter Rechtsextremist*innen gesucht werde, endete die Česká-Mordserie plötzlich. Nach den Ansprachen in Nürnberg gab es keine weiteren Morde des NSU an Menschen mit Migrationsgeschichte.
Ein Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen ist jedoch bis heute nicht belegbar. Unverständnis riefen bei den Abgeordneten die Angaben des Zeugen hervor, dass im Nachgang nicht versucht wurde zu ermitteln, ob die Information aus der Gefährderansprache über eine der angesprochenen Personen an das Kerntrio oder deren nähere Unterstützer wie Andre Eminger oder Holger Gerlach gelangt ist.
„Diese möglichen Verbindungen hätten doch einen vielversprechenden Ermittlungsansatz geboten. Ich verstehe nicht, warum dem nicht nachgegangen wurde“, konstatierte der Ausschussvorsitzende Toni Schuberl während der Vernehmung des Nürnberger Staatsschützers.
Der Zeuge räumte ein, dass nach seinem Kenntnisstand weder nach noch vor der Selbstenttarnung des Kerntrios Observations- oder Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gegen die angesprochenen Personen durchgeführt wurden. Zudem seien zwei der neun Personen zufällig angesprochen worden. Der bekannte Nürnberger Szeneanwalt Miksch sei von sich aus auf den Staatsschützer zugekommen und habe diesen gefragte, warum er denn Gefährderansprachen in der rechten Szene durchführe. Der damals 21-jährige Michael Löffler wurde im Rahmen der Abklärung einer Ähnlichkeit mit einem Phantombild zum Mordfall YASAR auf die Mordserie angesprochen.
In der insgesamt etwa fünfstündigen Vernehmung wurden dem Zeugen eine Vielzahlt von Nach- und Einzelfragen gestellt. Der Zeuge konnte sich in weiten Teilen nur noch an einzelne Details zu den Ereignissen oder Personen erinnern. Einen Überblick über die Zusammenhänge der Terrorserie wurde dabei nicht erkennbar. Viele bekannte Rechtsextremisten aus seinem Zuständigkeitsbereich waren dem Zeugen kein Begriff mehr.
Der Zeuge gab an, die Ermittlungen seien unter der „Einzeltätertheorie“ geführt worden. Diese habe besagt, dass ein Täter mit dem Motiv – Hass auf Ausländer – für die Mordserie verantwortlich sei.
„Es ist schwer nachvollziehbar, dass man von einem Einzeltäter ausging, obwohl bereits bei dem ersten Mord an Enver Şimşek Schüsse aus zwei Pistolen festgestellt wurden. Ebenso bei İsmail Yaşar redeten Zeugen von zwei Personen, die auf Fahrrädern von der Tatstelle flüchteten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es jeweils mehr als ein Täter war“, konfrontierte Ausschussmitglied Cemal Bozoğlu den Zeugen. „Diese Zeugenbefragung hat uns gezeigt, dass es Ermittler mit dem richtigen Riecher gab. Allerdings war die Sichtweise offensichtlich nur auf Nürnberg beschränkt. Warum nicht auch in München in diese Richtung ermittelt und eine Gefährderansprache durchgeführt wurde, bleibt offen.“, so Cemal Bozoğlu weiter.
Ein Schlaglicht warf die Vernehmung des Staatsschützers wieder einmal auf die missglückte Zusammenarbeit von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden. So dauerte es ein halbes Jahr bis nach mehreren Eingrenzungen der Anfrage eine Liste mit bekannten Rechtsextremist*innen aus dem Raum Nürnberg von den bayerischen Verfassungsschützer*innen an die Staatsschützer in Nürnberg gelangte. Die entstandene Liste von 600 Personen wurde durch den Zeugen und seine Ermittlungsgruppe überprüft und so versucht einen Bezug zu den Tatorten herzustellen.
Die Gefährderansprachen wurden bereits vor Erhalt der 600er-Liste auf der Basis der polizeilichen Erkenntnisse der Nürnberger Staatsschützer durchgeführt. Der Zeuge gab an, man habe die Ansprachen „ins Blaue hinein“ durchgeführt. Es sei nicht bekannt gewesen, in welchem Bereich der Täter zu suchen gewesen sei. Einen Zusammenhang zwischen dem Ende der Mordserie und seiner Gefährderansprache habe er nicht hergestellt. Ihm sei es vorrangig darum gegangen, eine Person dazu zu motivieren relevante Zeugenaussagen zu machen.
Die letzte Zeugenbefragung dieses Sitzungstags fand aus Geheimschutzgründen nicht-öffentlich statt. Dabei wurde ein Mitarbeiter des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz befragt.
Die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses findet am Montag, den 6. März 2023 mit Beweisaufnahme insbesondere zu der Verstrickung von Mandy Struck statt.
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