Zur Vorladung der Rechtsterroristin Beate Zschäpe in den Untersuchungsausschuss

In den letzten Tagen haben wir Kritik der Art, wir würden „Beate Zschäpe eine öffentliche Bühne“ bieten, vernommen. Deshalb möchten wir mit diesem Text unsere Perspektive diesbezüglich darstellen.

In unserem Untersuchungsauftrag für den 2. Bayerischen UA zum NSU haben wir folgendes festgehalten:

„Aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen und zur notwendigen Aufklärung der Sachverhalte sollen deshalb insbesondere auch die nachfolgenden offenen Fragen beantwortet werden: ─ Wie und durch wen wurden die Morde und Anschläge des NSU in Bayern im Detail geplant?

Wie und durch wen wurden die potenziellen Opfer und Tatorte ausgesucht?

– Wer hat die möglichen Anschlagsorte und Fluchtrouten so akribisch ausgespäht?

– Warum haben die bayerischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden über lange Zeit die Täterinnen und Täter nur im Umfeld der Opfer und im Bereich der Organisierten Kriminalität vermutet? Gab es hierfür strukturelle Ursachen?

– Welche Rolle spielten V-Leute, Verdeckte Ermittler und sonstige Vertrauensleute im Umfeld des NSU-Kerntrios, bei deren Unterstützerinnen und Unterstützern und bei Personen aus deren Umfeld?“

Aus diesen Grundfragen entwarfen wir konkrete, über 150 Detailfragen! Wir stellten dabei von Anfang an klar, dass wir vermutlich auf viele Fragen keine oder zumindest keine vollständigen Antworten erhalten werden. Doch unser Versprechen war, dass wir alles tun werden, um so viele Fragen wie möglich zu beantworten.

Gerade die zentralen Fragen, wie das Opferprofil, die Auswahl der Tatorte und der Opfer, die Planung der Morde, die Ausspähung der Tatorte und der Fluchtrouten können höchstwahrscheinlich auch in diesem 15. Untersuchungsausschuss zu den Morden und Taten des NSU nicht vollständig beantwortet werden. Sie sind aber die Fragen, die wir aus den Gesprächen mit den Angehörigen als die brennendsten Fragen identifiziert haben. Die Terroristin Zschäpe ist wahrscheinlich die einzige Person auf dieser Welt, die diese Fragen beantworten könnte, wenn sie wollte.

Wenn wir unser Versprechen, alles Mögliche zu versuchen, um die Fragen zu beantworten, ernst nehmen, muss man aus unserer Perspektive heraus auch diese Person verhören. Wir haben uns die Entscheidung aber nicht leicht gemacht und lange überlegt und abgewogen. Natürlich ist es sehr wahrscheinlich, dass sie schweigen wird, wie sie es bisher tat. Es gibt aber ein paar Überlegungen, die eine Aussage durch sie zumindest denkbar machen. Anders als zuvor, hat sie nun kein Aussageverweigerungsrecht mehr und – was noch schwerer wiegt – hat sie auch keine juristischen Konsequenzen aus einer Aussage mehr zu befürchten. Im Gegenteil müsste ein anwaltlicher Rat Ihr gegenüber eher auf Aussagebereitschaft lauten, damit sie keine Nachteile befürchten muss. Das ist ein eklatanter Unterschied zu bisher. Sie wurde nach der Rechtskraft des Urteils von niemandem mehr befragt.

Daher ist es denkbar, dass sie nicht komplett schweigen wird. Dabei wissen wir natürlich, dass sie, falls sie redet, höchstwahrscheinlich versuchen wird, ihre Rolle klein zu reden oder sich weißwaschen zu wollen. Das ist uns bewusst und wir bereiten uns darauf vor. Ein Untersuchungsausschuss ist aber keine Talk-Show, kein Podium oder gar eine Bühne für Rechtsterroristen. Es gibt nur eine zulässige Form des Gesprächs mit Nazis, nämlich das Verhör! Und wir werden sie verhören. Und wir haben das Setting zum Teil selbst in der Hand.

Uns ist natürlich bewusst, dass gerade der Name Zschäpe bei den Angehörigen Unverständnis und Verärgerung auslösen kann. Aber nach langer Abwägung der Pros und Contras haben wir uns dafür entschieden, diesen Schritt zu wagen und im Interesse der Wahrheitsfindung und Aufklärung zu gehen. Wir werden diese Zeugenvernehmung intensiv vorbereiten und selbstverständlich mögliche menschenverachtende Aussagen der Zeugin unmittelbar unterbinden oder entsprechend kontern.

Herzliche Grüße


Toni Schuberl und Cemal Bozoglu

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