In seiner 29. Sitzung hat der NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags fünf Personen aus dem Bereich der rechten Szene als Zeugen vernommen.
Der erste Zeuge, Matthias Dienelt, hat für das NSU-Kerntrio in Zwickau zwei Wohnungen angemietet, in denen das Trio von 2001 bis zur Enttarnung im November 2011 gelebt hat. Dienelt hatte über zehn Jahre regelmäßig persönlichen Kontakt zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe und übernachtete sogar gelegentlich in den auf seinen Namen angemieteten Wohnungen in der Polenzstrasse und der Frühlingsstraße in Zwickau. Er versuchte zunächst vergeblich den Ausschuss davon zu überzeugen, dass ihm ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zusteht.
In der Aussage des Zeugen Dienelt offenbarte sich ein Abgrund aus Verleugnung der Mordtaten des NSU, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und weit über die Grenzen der Glaubhaftigkeit hinaus gehenden Naivität.
Der NSU könne die ihm zur Last gelegten Taten so gar nicht begangen haben. Ausländer möge er nicht. N**** und Türken könnten nie Deutsche werden. Deutsch sein bedeute für ihn in erster Linie zu arbeiten und eine weiße Hautfarbe zu haben. Über die gemeinsame Ablehnung von Ausländern habe er auch mit den drei Kernmitgliedern des NSU oft gesprochen. Er habe die drei Terroristen – die er vor der Anmietung von Wohnungen auf seinen Namen – gar nicht gekannt haben will regelmäßig besucht. Trotzdem behauptet er, dass ihm noch nicht einmal bewusst gewesen sei, dass die Drei untergetaucht seien. Auch Waffen oder andere verdächtige Gegenstände habe er nie in der Wohnung bemerkt.
Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien eigentlich immer zu Hause gewesen. Was die drei beruflich machten habe er sie nie gefragt, das sei für ihn – in diesem Fall – nicht wichtig gewesen. Dass nur sein Name an den Wohnungen stand, obwohl er dort gar nicht wohnte, sei ihm ganz normal vorgekommen.
„Sie wussten mehr, als Sie uns hier heute sagen. Es ist nicht glaubhaft, dass Sie gerade die drei Personen, für die Sie eine Wohnung anmieten nicht danach fragen, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Insbesondere weil nach ihrer Ansicht Arbeit ein wichtiger Bestandteil des „Deutschseins“ ist. Sie haben nicht gefragt, weil Sie entweder wussten, was vor sich geht oder dass sie besser nicht nachfragen sollten. Sie wollten Ihre rechtsextremen Kameraden unterstützen. Die Folgen für andere Menschen wurden ganz bewusst in Kauf genommen!“, kommentierte Cemal Bozoğlu die Angaben des Zeugen.
Der Zeuge Nils Peter Strahl, der sich dem verurteilten Rechtsterroristen Martin W. freundschaftlich verbunden fühlt, konnte oder wollte nichts Wesentliches zum Untersuchungsgegenstand beitragen.
Frank Zunner, der dritte Zeuge des Tages, erschien in Begleitung von Rechtsanwalt Miksch vor dem Untersuchungsausschuss. Über seinen Rechtsanwalt ließ der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht zu dem Fragenkomplex Hammerskins geltend machen. Dieses Recht musste von dem Ausschuss anerkannt werden. Rechtsanwalt Miksch geriet zeitweise selbst zu dem Thema Gefährderansprachen in Nürnberg im Jahre 2006 in eine informelle Zeugenrolle.
Der Zeuge Roberto Kühn gab an, zwar Mitglied in der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“ gewesen zu sein, konnte oder wollte aber zu dem Untersuchungsgegenstand nichts Wesentliches beitragen.
Die letzte Zeugin des Tages, Ilona Kühnelt, berichtete, dass Sie sich seit Anfang der 1990er Jahre in der Skinheadszene bewegt habe. Was die rechte Szene sei, wisse sie nicht genau. Sie habe in fast zwei Jahrzehnten, in denen sie sich stets im Umfeld von Personen bewegte, die nachweislich Kontakt zu dem NSU-Kerntrio hatten, nie etwas Relevantes mitbekommen. Die Angaben der Zeugin waren teils wenig glaubhaft. Denn sie ist die Schwägerin des bekannten Rechtsextremisten Matthias F., mit dem sie zeitweise auf einem Anwesen lebte. Ihr Ex-Ehemann Ronald H. war der Sänger der Band „Nordwind“. Zudem gab die Zeugin im Ausschuss zu, dass es sich beim Eintrag auf der Garagenliste des NSU, welche im Jahr 1998 in Jena sichergestellt wurde, um ihre eigene Handschrift handelt.
Die 30. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses findet am Donnerstag, den 27. April 2023, um 14:00 Uhr statt. Dann steht die Zeugenvernehmung des ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Landeskriminalamts Dathe und des jetzigen stellvertretenden Präsidenten des LKA Limmer auf dem Programm. Aus dem Bereich der rechten Szene soll Norman Kempken vernommen werden.
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